Damals: Motorwagen "frei nach Schnauze" gebaut
Heinrich Flockenhaus konstruierte im Jahre 1904 das erste und bisher einzige Radevormwalder Automobil
Foto: Am Steuer des selbst gebauten Automobils sitzt Konstrukteur Heinrich Flockenhaus. Neben ihm sein Onkel Willi Flockenhaus und im Fond des Wagens Vater Julius Flockenhaus und seine Frau, Berta, geborene Meskendahl.
Radevormwald kann eine reichhaltige Palette an Industrieprodukten vorweisen: Feilen, Schlösser, Schlittschuhe, Wolle und Stoffe - die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Kurz nach der Jahrhundertwende wurde jedoch auch das erste -und wohl einzige- Automobil in Radevormwald gebaut. Darüber berichtet Otto Schönenberg aus der Ülfestraße, ehemaliger Oberingenieur und Erbauer von Kali - Bergwerken in Mitteldeutschland:
"Die Sache ging um die Wende 1903 / 1904 vor sich. Mein Vetter Heinrich Flockenhaus war von Hause aus ein Knösterer und großer Bastelfritze. So hatte er bereits einen Gasmotor, einen Fotoapparat, eine Rechenmaschine oder auch eine Ladenkasse fabriziert. Nun kam das erste Auto nach Rade, gefahren von dem Millionär Molineus aus Barmen, der um die Jahrhundertwende die Molkerei in der Ülfestraße übernahm, mit seinem Fahrer Feldermann. Wir Jungen bestaunten den Motorwagen. Und dann baute Heinrich selber einen! Eine Zeichnung von dem Wagen habe ich nie gesehen. Es ging alles "frei nach Schnauze", wie wir Ingenieure so sagen. Den Einzylindermotor hat er wohl durch die Zeitung bekommen. Er war eines guten Tages da und wurde die Grundlage. Der Rahmen bestand aus Profileisen. Onkel Julius Flockenhaus, ein alter Monteuer, stand mit Rat und Tat zur Seite. Einfach war alles: Statt eines Zahnradgetriebes gab es eine Friktionsscheibe mit Lederritzel als Gegenscheibe. Wir halfen alle mit, besonders beim Bau von Gußstücken.Onkel Walter Meskendahl und Meister Holzmann von der Gießerei Meskendahl haben manches Formstück "in den Sand gedrückt".
Auch die Vettern Walter und Robert Meskendahl waren eifrige Mitarbeiter und noch andere Freunde. Oft haben wir nach Feierabend den Drehbankriemen abwechseln mit den Händen gezogen. Aber in die Konstruktion haben wir nicht reingeredet, das war Heinrich's Sache.Ich habe beim Reifenaufziehen geholfen. Das war eine harte Arbeit. Eine Kiste wurde mit Draht und Stricken auf dem Grundrahmen befestigt. Und dann war es soweit: Hinaus ging es zur Probefahrt!Die Steuerung war derart locker, daß Heinrich immer schon recht früh das Lenkrad betätigen mußte. Besonders, wenn es bei Wild's um die Ecke ging. Es war uns aber keiner im Wege, da die Straßen ziemlich leer waren. Und der Wagen rollte! So ging die Fahrt die Linde runter bis Hübel's an der Hoffnung, dann zurück durch die Stadt bis Rädereichen. Das war ein Hallo! Die gesamte Rader Jugend lief nebenher. Die Geschwindigkeit war so, daß ein fixer Junge mitlaufen und aufspringen konnte. War die Karre im Gang, dann hatten wir durch aufspringende Kinder immer volle Last. Das war das erste in Radevormwald gebastelte Auto und wohl auch das einzige geblieben!
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