Streichung unnötig repressiver Passagen
Antrag von Fritz Ullmann zur Sitzung des Rates am 24.4.2018, TOP 8.: Streichung unnötig repressiver Passagen der Strassenordnung
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
es wird beantragt, folgenden Antrag zum o.g. Tagesordnungspunkt der
Verordnung zu streichen:
1.
In § 2 (Allgemeine Verhaltenspflicht), Abs. (1) a) 6. „das stille, passive Betteln unter Zuhilfenahme von Kindern oder Tieren,“
sowie folgende Passagen in Gänze:
2.
In § 2 (Allgemeine Verhaltenspflicht), Abs. (1) a) 7. „das Vortäuschen von künstlerischen Darbietungen,“
3.
§ 3 (Schutz der Anlagen und Verkehrsflächen), Abs. (2) 6. „In den Anlagen oder auf Verkehrsflächen die Notdurft zu verrichten,“
4.
§ 6 (Verunreinigungsverbot), Abs. (1) 6. „das Spucken auf Flächen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind.“
Es wird getrennte Abstimmung der Punkte dieses Antrages beantragt.
*Begründung:*
Wir lehnen den Ansatz der Verwaltung, das „subjektive Sicherheitsempfinden“ der Bevölkerung durch Verbotsmaßnahmen verbessern zu wollen, grundsätzlich ab. Dies bedeutet nichts weniger, als die Bürger zu täuschen. Das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung sollte stattdessen durch die Gewährleistung einer angemessenen Sicherheit gesteigert werden.
_Gleichzeitig entsteht der Eindruck, dass die hier soziale Randgruppen aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt werden sollen._ Dies ist kein Weg, gesellschaftliche Probleme zu lösen; die soziale Lage der Betroffenen wird sich durch solche Maßnahmen im Gegenteil verschlechtern, sie werden weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt.
Zu allen Punkten ist anzumerken, dass die Durchsetzbarkeit überhaupt fragwürdig erscheint. In Anbetracht der geringen Zahl im Außendienst präsenter Ordnungsamtsmitarbeiter ist es nicht möglich, die Verordnung gerecht durchzusetzen. Bei der nur sporadischen Durchsetzung dieser rigiden Verordnung entsteht zwangsläufig der Eindruck von Willkür in der betroffenen Bevölkerung.
Im folgenden werden die Punkte des Antrages im Einzelnen begründet:
*Zu 1.:* Viele obdachlose Menschen halten Tiere, insbesondere Hunde, und dies oft in einer durchaus artgerechten Form. Diese Tiere stellen für diese Menschen einen wichtigen Bestandteil ihres Lebens und manchmal den einzigen stabilen sozialen Kontakt dar. Gleichzeitig sind viele obdachlose Menschen genötigt, zu betteln. Durch das faktische Verbot des Mitführens von Tieren werden diese Menschen in einem unverhältnismäßigen Maße eingeschränkt.
*Zu 2.:* Der Begriff des „Vortäuschens künstlerischer Darbietungen“ ist zu vage und erlaubt willkürlich zulässige Darbietungen zu untersagen.
*Zu 3.:* Auch wenn die Verrichtung der Notdurft im öffentlichen Raum ein tatsächliches Problem darstellt und mit Beeinträchtigungen einhergeht, so kann es nicht sein, dass dies unter Strafe gestellt wird, während die öffentlichen sanitären Einrichtungen der Stadt in einem für Menschen hygienisch betrachtet unbenutzbaren Zustand sind. Hier muss die Stadt benutzbare öffentliche Sanitäreinrichtungen bieten, bevor sie das so genannte „Wildpinkeln“ unter Strafe stellt oder sich verpflichten, dies jetzt zu tun.
*Zu 4.:* Das Spucken stellt objektiv keine relevante oder nachhaltige Verunreinigung öffentlicher Flächen dar. Es handelt sich hier zwar um eine Unsitte – aber nicht alles, was störend ist, sollte in einer sich frei nennenden Gesellschaft unter Strafe gestellt werden. Für ein Verbot des Spuckens auf öffentlichen Flächen fehlt eine objektive Grundlage.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass überhaupt fragwürdig erscheint, dass das „subjektive Sicherheitsempfinden“ der Bevölkerung durch die Verschärfung der Verordnung gehoben werden könnte. Gleichzeitig bedeutet eine Erweiterung des Katalogs verbotener Handlungen auch eine „subjektive Einschränkung der Lebensqualität“ in unserer Stadt, sie erhöht das Gefühl von Reglementierung, Beobachtung, Kontrolle und, insoweit soziale Randgruppen Ziel der Verordnung sind, Ausgrenzung.
Grundsätzlich sprechen wir uns auch gegen die Anhebung der Strafen aus im Einzelnen. Hilfsweise unterstützen wir die Anträge des fraktionslosen Stadtverordneten Dr. Michalides zur Herabsetzung der allgemein unverhältnismäßig angesetzten Strafen.
-- Mit freundlichen Grüßen
-Fritz Ullmann
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