Katastrophales Signal für die Wirtschaft

21.10.2002: Bergische Unternehmer zum neuen Koalitionsvertrag. Blitzumfrage der IHK zeigt massive Schwachstellen auf

„Bestürzung", „Erschrockenheit", „Enttäuschung", mit diesen Schlagworten beschrieben Bergische Unternehmen ihre ersten Eindrücke zu dem jüngst veröffentlichten Koalitionsvertrag der Rot-Grünen Bundesregierung im Rahmen einer Blitzumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Wuppertal-Solingen-Remscheid.

Die geplanten Maßnahmen gingen völlig an den Bedürfnissen der Wirtschaft vorbei, so die einhellige Meinung der befragten Unternehmer. Die dringend gebotene, steuerliche Entlastung der kleinen und mittleren Unternehmen werde weiter aufgeschoben. Obwohl Argumente für die Ergreifung bestimmter Einzelmaßnahmen durchaus nachvollziehbar seien, werde jedoch ein einheitliches, deutlich strukturiertes und verständliches Gesamtkonzept vermisst. Der Koalitionsvertrag gleiche vielmehr einem Flickenteppich. Die vorgesehenen Änderungen, insbesondere bei der Unternehmensbesteuerung, seien „lediglich ein Herumdoktern am bestehenden System", sagte Dr. Michael Schlipköter, Mozart AG, Solingen. Das derzeitige Steuersystem sei von Grund auf krank und erlaube den Unternehmen keine langfristige Planung. „Grundsätzlich muss mehr Transparenz im Steuerrecht geschaffen werden", forderte der Solinger Unternehmer.

IHK-Präsident Friedhelm Sträter geht noch weiter: „Die Vereinbarung wirkt sich fatal auf die Stimmungslage der Wirtschaft aus. Ich habe große Zweifel, ob angesichts dieser Aussichten unsere geschwächte Volkswirtschaft die zusätzlichen Belastungen einer EU-Erweiterung überhaupt noch verkraften kann", so der IHK-Präsident. Sträter hat daraufhin in einem Schreiben an die Spitze des DIHK den Vorschlag gemacht, eine gemeinsame bundesweite Protestaktion vor Ort in Berlin in die Wege zu leiten.

Vom Inhalt des neuen Koalitionsvertrages gingen keine positiven Impulse für die Wirtschaft aus. Vielmehr wird er als „katastrophales Signal" gewertet, da die Bereitschaft zu mutigen und radikalen Reformen weitestgehend fehle. „Die jetzige Regierung verhält sich schon am Anfang der Legislaturperiode wie nach 10 Jahren Kohl", befand Jörg Heynkes, Geschäftsführer der VillaMedia Gastronomie GmbH, Wuppertal. Enttäuschung äußerte der Wuppertaler Unternehmer auch über die personelle Besetzung der neuen Regierung, von der er wenig Neues erwarte.

Der Remscheider Bauunternehmer Dipl.-Ing. Wolf-Dietrich Spelsberg, AUGUST DOHRMANN GmbH, kritisierte die geplanten Streichungen bei der Eigenheimzulage. Dadurch werde insbesondere für Familien mit geringem Einkommen der Hausbau erschwert. „Nachdem die Konjunktur im Geschosswohnungsbau bereits am Boden liegt, ist dies nun auch für Einfamilienhäuser zu erwarten", prophezeit Spelsberg.

Bei den befragten Unternehmen sorgten nicht zuletzt die Änderungen im Umsatz- und Unternehmensteuerrecht für Diskussionsstoff.  Der Abbau  von  Subventionen - auch  der steuerrechtlichen Vergünstigungen - wird zwar von den meisten Unternehmen unterstützt, dies führe jedoch in der gegenwärtigen Rezession zu zusätzlichen Belastungen. Die geplanten Maßnahmen im Körperschaft- und Gewerbesteuerrecht,  die  der steuerlichen Bevorzugung der Großunternehmen entgegenwirken und eine größere steuerliche Gerechtigkeit herbeiführen sollen, werden von den kleinen und mittleren Unternehmen überwiegend begrüßt. Allerdings befürchtet man, dass die Auswirkungen sich nicht allein auf die Großunternehmen beschränken, sondern auch den Mittelstand treffen.

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